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Die unsichtbare Macht: Warum es vor IT kein Entkommen gibt

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Liebes Tagebuch,

was würde meinem 14-Jährigen Ich wohl durch den Kopf gehen, wenn es auf die Sarah von heute träfe? Bestimmt käme gut an, dass ich nun vor dem Fernseher Fast Food essen kann – obwohl noch Brot zuhause ist! Allerdings traue ich mich wetten, dass der Teenie entsetzt von meiner Freizeitgestaltung wäre. Ich kann tun und lassen, was ich möchte – und mir fällt nichts besseres ein, als der Informationstechnologie Aufsätze zu widmen?

Leichte Verwirrung ist in dem Fall angebracht. In der Schule habe ich mich von Informatik stark malträtiert gefühlt und das Fach schnellstmöglich abgewählt. Der Sinneswandel ist auf das Glück zurückzuführen, dass mich das Berufsleben zurück ins Metier brachte und mir eine neue Perspektive zeigte:

IT ermöglicht Undenkbares – von der Früherkennung von Krankheiten bis hin zur Aufklärung uralter Verbrechen. Eine künstliche Intelligenz namens ChatGPT wird für so schlau gehalten, dass sie Schülern bald die Hausaufgaben abnehmen kann. Ich würde mein früheres Ich nicht dafür verurteilen, auf so ein Angebot zurückzukommen. Doch gerade weil ich inzwischen mit der IT-Welt befreundet bin, habe ich einen sehr, sehr ernst gemeinten Rat:

Sei dir bewusst, was dahinter steckt!

Immer mehr Anwendungen werden zu unscheinbaren Tagesbegleitern – und dabei gerne unterschätzt. Denn das, was sich meist unsichtbar und in Sekundenbruchteilen abspielt, braucht weder leicht, noch harmlos zu sein. Im Worst Case fällt das erst auf, wenn es zu spät ist. Die folgenden Tipps lege ich dir deshalb wirklich ans Herz – ganz egal, ob du nun Fan bist oder Informatik genauso schnell abwählen würdest wie ich damals.

Verstehe, wo du das Zepter abgibst

Hinter der nebulösen Cloud steckt zusammengefasst der Service, dass man seine Daten auswärts parken darf. Es braucht nur eine Internetverbindung, und schon sind die Daten von jedem Gerät und Ort aus abrufbar. Was einerseits so praktisch ist, entzieht sich andererseits aber der eigenen Kontrolle.

Der Zufall lieferte mir ein Beispiel, auf das ich gerne verzichtet hätte. Musik ist mir enorm wichtig. Dementsprechend nutzte ich auch einen Streamingdienst, um mir über Jahre meine Playlists aufzubauen. Bis ein Update alles änderte. Plötzlich konnte ich nicht mehr aussuchen, welche Songs ertönten und selbst meine Downloads verschwanden. Die größte Überraschung: Statt über einen Systemfehler informiert zu werden, erfuhr ich, dass ich mit einem monatlichen Aufpreis um Summe X die Funktionen wieder nutzen könne.

Es heißt, dass alles im Leben teurer wird. Und doch erwischte es mich kalt, dass mir meine gesamte Musikwelt einfach so entzogen wurde, ohne dass ich meinen Account gekündigt hatte. Und das ist lange nicht der einzige Fall, bei dem ich meinen Dunstkreis überschätzt habe. Der Satz, den du gerade liest, ist das beste Beispiel:
Es ist mein Text. Von mir an dich. Geteilt über meine eigene Webseite. Und doch liegt es auch am Hosting-Anbieter, ob du diesen Artikel überhaupt lesen kannst (es tut mir leid für alle Ausfallzeiten – dieses Jahr wünsche ich mir einen eigenen Server zu Weihnachten, versprochen).

Solche Erfahrungen ändern meinen Blick auf alles, was ich bis dato in der Cloud liegen habe: Zugänge, Bilder, Zeugnisse, Bescheinigungen. Wieviel wären sie mir wohl wert, wenn sich von jetzt auf gleich die Schranken schließen? Ich für meinen Teil will das nicht herausfinden und weiß nun mehr zu schätzen, dass sich meine externe Festplatte bei mir daheim befindet. Eine Cloud-Lösung ist eine praktische Ergänzung, aber nichts, worauf ich mich noch einmal kopflos verlassen würde.

Glaube nicht alles, was du siehst

Vermutlich rollst du mit den Augen, wenn ich dich vor Deepfakes warne. Obwohl es in Theorie wie eine alte Kamelle klingt: Es ist erschreckend, dass genug Rechenleistung und kluge Algorithmen ausreichen, um einen erstaunlich junggebliebenen Tom Cruise Zaubertricks vorführen zu lassen. Ich für meinen Teil war wirklich beeindruckt von der Qualität des Fakes.1.

Das mag vielleicht noch ein unterhaltsamer Joke auf Instagram & Co. gewesen sein. Doch würde ich eine gefälschte politische Ansprache auch lustig finden? Mittlerweile betrachte ich es wirklich als Kunst, auf digitalen Identitätsdiebstahl nicht hereinzufallen. Das zeigte sich auch bei der Twitter-Übernahme von Elon Musk. Jemand nutzte die Neuerungen zu den Verifizierungsmethoden aus, um sich als den Pharmakonzern Eli Lilly auszugeben. Falscher Account, echte Folgen: Nachdem der Fake auf Twitter verkündete, dass Insulin künftig kostenlos zur Verfügung stehe, brach der Aktienkurs beim Unternehmen und Marktmitstreitern ein.2.

Für mich zeigen solche Fälle, dass es eine neue Art von Fähigkeiten braucht: Zum einen zu verstehen, was mit moderner Technik möglich ist und zum anderen, an welchen Punkten sich ein Missbrauch erkennen lässt. Auch in den genannten Beispielen gab es Anzeichen: Das Tom Cruise Video suggeriert ein Alter, das nicht zur heutigen Hollywood-Legende passt. Auch stimmte der User-Account, unter dem angeblich Eli Lilly postete, nicht mit dem Account des Pharmakonzerns überein.3. Im Nachhinein wirkt stets alles einleuchtend, doch worum es wirklich geht ist, schon rechtzeitig ein Gespür für dieses Thema zu haben.

Hinterfrage, wem du deine Informationen anvertraust

In meinen Tipps zur IT-Sicherheit habe ich schon nahegelegt, wo du Angaben zu deiner Person am besten unterlässt: Sensible Daten zu deiner Anschrift, Bankverbindung & Co. sollten nur in SSL-verschlüsselte Seiten wandern.
Selbst wenn du es mit einer sicheren Verbindung zu tun hast, lohnt sich die Überlegung, was du deinem Gegenüber anvertrauen möchtest.

Bei meinen Recherchen fand ich hierzu einen Artikel, der mich sprachlos machte. Er handelte von harmlos wirkenden Zyklus-Apps. Und davon, wie sie unzählige US-Amerikanerinnen verunsicherten. Warum? Seit 2022 ist in manchen US-Bundesstaaten die Abtreibung verboten. Das kann für die App-Nutzerinnen nun zum Problem werden – nämlich dann, wenn die App neben einer Schwangerschaft auch ein vorzeitiges Ende erfasst.

Diese Information kann in den USA nicht nur bei Strafverfolgungen verwendet werden, sondern je nach Nutzungsbedingungen auch in die Hände Dritter fallen.
Infolge dessen wurde vielen Frauen die gefühlte Bedrohung durch die Apps zu groß. Was jedoch nicht jeder weiß: Das Löschen der App entfernt noch lange nicht den digitalen Fußabdruck, der von der Suchhistorie bis hin zu Standortdaten reicht.4.

Dieses Beispiel führt drastisch vor Augen, wie wichtig das geschärfte Bewusstsein während der Nutzung digitaler Dienste ist.

FAZIT

Meine kritischen Worte sollen nicht bedeuten, dass ich mich gegen die IT-Welt ausspreche. Im Gegenteil, ich bin sogar ein großer Freund davon, dass sich digitale Helfer immer intuitiver in unseren Alltag integrieren. Wichtig ist mir eines: Nur weil man über die Nutzung nicht nachzudenken braucht, heißt es nicht, dass man die Abläufe im Hintergrund nicht verstehen muss. Ich merke an eigener Haut, dass die Einstiegshürde groß ist. IT verschreckt auch mich mit Fachbegriffen und hoher Komplexität. Doch wenn ich einen Wunsch frei hätte, sollte jeder genug darüber wissen, um Gefahren und Konsequenzen abschätzen zu können.

Wenn ich auch nur zum Nachdenken anregen kann, habe ich mein Ziel schon erreicht. Doch vielleicht schlage ich mit meinen Einträgen tatsächlich eine Brücke ins Land der Informationstechnologie. Für mich ist das definitiv genug Anreiz, um mein Herzensprojekt itgirlsjournal mit umso mehr Überzeugung anzugehen – wohlbemerkt unter dem Risiko, dass mich mein 14-jähriges Ich für verrückt erklären würde.


Quellen:

  1. https://www.stern.de/digital/faktencheck-im-video–ist-das-der–echte–tom-cruise-oder-ein-deepfake–30410280.html
  2. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/twitter-chaos-aktienkurs-von-insulinhersteller-faellt-nach-fake-tweet-a-cd2eebad-54aa-4c33-81d9-6b37c78dd733
  3. https://www.handelszeitung.ch/geld/borsenbeben-wegen-twitter-ein-tweet-lasst-den-kurs-des-pharmakonzerns-eli-lily-massiv-sinken-546689
  4. https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/abtreibung-und-datenschutz-in-den-usa-warum-frauen-jetzt-ihre-zyklus-apps-loeschen-a-2afdbf5b-a926-475d-af7b-18b5ca15c869

4 Kommentare

  • Gabriele Leiser

    Liebe Sarah,

    Deinen Werdegang und Wandel in der IT mehr als hautnah miterlebt zu haben, birgt einen gewissen Stolz!

    Meines Erachtens hast Du hier ein ungemein wichtiges Thema aufgegriffen. Ohne IT ist unser heutiges Leben gar nicht mehr denkbar. Sich komplett dagegen zu verschließen katapultiert einen ins gesellschaftliche Abseits und bedeutet beruflich in unzählichen Bereichen ein Eigentor bis hin zum Aus.

    Und dennoch gehen sehr viele Menschen mit der IT sehr leichtsinnig um. Ein Foto war früher ein Papierbild, landete irgendwann allenfalls in einer Schuhschachtel auf dem Speicher. Heute ist nichts, aber auch gar nichts was ins Netz gestellt wird, je mehr absolut löschbar. Keine Datenfreigabe kann je nachhaltig zurückgenommen werden. Und wie leichtfertig setzen wir unsere Unterschriften auf sogenannte „Datenschutz-Erklärungen“, meist ohne sie vorher gelesen zu haben. Ich spreche aus meiner Erfahrung im gesamten Finanzdienstleistungsumfeld.

    Ein bisschen mehr Vorsicht und deutlich mehr Wissen was sich dahinter verbirgt, wäre wohl für die Meisten von uns mehr als vorteilhaft und wünschenswert.

    Liebe Grüße

    • Sarah

      Das freut mich natürlich ganz besonders, danke für deine Einblicke.
      Der Einfluss der IT-Welt ist absolut nicht zu unterschätzen. Mit der DSGVO gibt es eine enge Rechtsprechung, die auch zu Löschkonzepten verpflichtet. Doch ich gebe dir absolut recht, dass man sich die Datenschutz-Erklärung gern mit einer schnellen Unterschrift vom Hals schafft (ich fasse mir an die eigene Nase). Was wieder zu meiner Botschaft zurückführt: Sei dir bewusst, was dahintersteckt.

  • Dietmar Koethner

    Liebe Sarah, liebes IT-Girl,

    die Cloud solltest Du nicht in Bausch und Bogen verdammen. Ich selber lege alle meine Daten in Cloud ab und achte darauf, dass ich den Zugriff behalte, was mitunter auch bedeutet, dass ich im Austausch dafür, dass ich das Zepter der Datenhoheit behalte, Geld bezahle.
    „Money makes the world go round“, heißt es in einem Musical-Song, welcher weit vor Deiner Geburt entstand. Dein Streaming-Anbieter hat das auch erkannt und hat offenbar ohne Ankündigung sein Geschäftsmodell geändert. Das ist aber wohl kein Fehler der „Cloud“.

    It´s not a bug it is a feature, dass ein Unternehmen mit der Cloud sein Geschäftsmodell sehr schnell verändern kann.

    Eine weitere Erkenntnis hat auch in der Cloud-Welt Bestand: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Und ich prüfe immer, ob ich das Geschäftsmodell eines Anbieters verstanden habe. Wenn mir das Angebot unlogisch erscheint, weil ich nicht verstehe, warum mir das jemand anbietet, wenn dieser mit mir kein Geld verdienen kann, weil ich ihm keines zahlen soll, lass ich die FInger davon bzw gehe bewusst Risiken ein. Lieben Gruß

    • Sarah

      Lieber Dietmar,

      vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Das bereichert um einen wichtigen Blickwinkel: Das Konzept der Cloud an sich ist zu unterscheiden vom Geschäftsmodell, welches Anbieter daraus stricken. Da kann ich dir tatsächlich nur beipflichten.
      Ob man es nun als Bug oder Feature bezeichnet, ändert am Resultat – in meinem Fall dem Verlust der Musikwelt – leider wenig. Doch wie du schreibst: Das Durchleuchten des Geschäftsmodells schützt vor bösen Überraschungen!
      Liebe Grüße!

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